Gespräch mit dem bildenden Künstler Carsten Crone Caroc
Carsten Crone Caroc ist ein dänischer Maler, Bildhauer und Performancekünstler, geboren 1975. Seit seinem Abschluss an der Royal Danish Academy of Fine Arts im Jahr 2013 stellt er regelmäßig in Dänemark und im Ausland aus. Crone Caroc ist zudem ein erfahrener Yoga- und Meditationslehrer. Ich traf ihn zum ersten Mal vor mehr als 20 Jahren im Internationalen Kurszentrum Håå in Schweden, als er dort an einem mehrmonatigen Yoga-Retreat teilnahm. Ich habe damals sein künstlerisches Potential schätzen gelernt und ihn seitdem aus der Ferne verfolgt.
Vastu-Vasati-Agentur: Betrachtest du dich als einen revolutionären Künstler?
Carsten Crone Caroc: Ich sehe mich eher als einen Alchemisten. Wenn ich an einem Gemälde arbeite, spüre ich, wie die einzelnen Elemente miteinander interagieren. Ich arbeite sehr intuitiv und mit viel Sensibilität, es ist ein ausgesprochen sinnlicher Vorgang, der in einen alchemistischen Prozess mündet. Ich nehme einige grundlegende Formen oder Elemente: einen Punkt, einen Strich, einen Kreis, ein Dreieck und die Farben. Ich mische sie in einem alchemistischen Prozess und daraus entsteht ein Bild. Ich versuche Kunst mit einem starken Ausdruck zu kreieren. Bilder, die sowohl Nähe und Geräumigkeit, aber auch Kraft und Intensität ausstrahlen. Ich strebe an, dass der Zuschauer sich auf das Bild einlässt und nachspürt, ob eine Resonanz vorhanden ist, anstatt zu denken, etwas verstehen zu müssen. Wenn ich mit diesem Bild zusammen bin, passiert etwas im Bauch, in der Brust oder in anderen Bereichen des Körpers oder mit meiner Körperhaltung? Bewegt dieses Gemälde etwas im Raum oder in mir als Mensch?
Vastu-Vasati: Was ist, deiner Meinung nach, die Rolle der Kunst in der Gesellschaft?
Crone Caroc: Mein ideologischer Standpunkt ist anders als der des aktuellen Mainstreams. Ein Großteil der gegenwärtigen Kunst ist politisch oder konzeptionell. Es geht öfters darum, Diskurse zu starten oder unterschiedliche Dinge in Frage zu stellen. Dieser Trend ist in Dänemark sehr ausgeprägt, sicherlich auch im Rest der Welt. Man muss im Voraus viel wissen, um das Kunstwerk zu verstehen. Vielleicht soll man die persönliche Vorgeschichte des Künstlers oder die Themen, die dieser typischerweise anspricht, kennen. Es ist eine sehr intellektuelle Ebene. Ich stehe für etwas anderes. Ich mag den unmittelbaren Zugang zur Kunst, bei dem man keine Vorkenntnisse von Kunstgeschichte und Kunsttheorie braucht. Man spürt nach: Mag ich dies, dem ich gegenüberstehe? Sagt es mir etwas? Bewegt es mich? Das ist tatsächlich ein sehr yogischer Zugang zum Leben überhaupt. Man traut dem eigenen Urteilsvermögen und der eigenen Empfindlichkeit, anstatt irgendwelche Erwartungen erfüllen und vielleicht etwas Kluges über den Künstler sagen zu müssen.
Das, was ich eben kritisiert habe, hat natürlich einen Platz in der Gesellschaft und es ist gut, dass es unterschiedliche Arten von Kunst gibt und das Kunst Fragen stellt und kritisiert. Jedoch sind diese Position und der politische Diskurs in der Kunstszene zurzeit sehr dominant.
Mich treibt es als Künstler voran, Kunstwerke zu machen, die visuell stimulierend sind und die Seele nähren. Mein Motto heißt, den Geist emporzuheben (to Elevate the Spirit) und liegt dem Yoga, das wir machen und unterrichten, sehr nahe – sich von Schwermut und Verstrickung in Befürchtungen loszulösen. Die bildende Kunst kann auch dazu beitragen, uns einen energetischen Anschub zu geben.
Vastu-Vasati: Du bist auch Yogalehrer und kennst das Leben in einem Ashram. Dort werden persönliche Bedürfnisse gelegentlich bei Seite gestellt. Ist ein asketisches Leben für einen Künstler förderlich?
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Crone Caroc: Um Kunst zu kreieren, muss ich auf einige Bequemlichkeiten verzichten, die sich andere Menschen erlauben können. Ich wohne bescheiden und habe einen geringen Konsum. In diesem Sinne lebe ich asketisch, jedoch führe ich ein gewöhnliches Leben mit Familie und Kindern und wir fahren in den Urlaub.
Vastu-Vasati: Sind die Erfahrungen aus einem Ashramleben ohne Mainstream-Unterhaltung für den schöpferischen Prozess förderlich?
Crone Caroc: Ich trenne mich nicht von der populären Kultur ab. Ich beginne jedoch den Tag mit einer bis zwei Stunden Meditation. Ich suche dabei eine Form von Stille, in der ich Impulse wahrnehme, aus einem kreativen Flow schöpfen zu können. Das habe ich im Ashram gelernt und das habe ich im täglichen Leben bei mir. Meine Wunschverstellung vom Leben wäre ein Haus in Alleinlage auf dem Lande, wo ich konzentriert mit Meditation und bildender Kunst arbeiten könnte. Das ist für mich zurzeit nicht möglich, da die Bedürfnisse meiner Familie Vorrang haben.
Vastu-Vasati: Was kannst du über den Zusammenhang zwischen dem Wahrnehmen des Körpers in einer Yogastellung und dem Betrachten einer geometrischen Form auf einer Leinwand erzählen?
Crone Caroc: Ich mache auch Skulpturen und Performances, bei denen ich in der Lotus-Stellung mit gekreuzten Beinen auf dem Boden in einer Pyramidenform sitze. Die Besucher der Ausstellung sind um mich herumgegangen. Dies hat einen meditativen Raum erzeugt, einige Besucher wurden dabei mit ihrer Unruhe konfrontiert, haben sie mir nachher berichtet.
Vastu-Vasati: Möchtest du dem Betrachter eine innere oder eine äußere Realität vermitteln oder eine Brücke zwischen den beiden?
Crone Caroc: Viele meiner Bilder sind ein Versuch, innere Erlebnisse widerzuspiegeln, eine meditative Erfahrung. Ich habe von einer Studie gehört, bei der Kinder zum Zeichnen aufgefordert wurden. Zunächst entstanden Bilder von Häusern und ihrer Familie. Nach einer Meditation zeichneten die Kinder zunehmend geometrische Formen. Das ist vergleichbar mit meiner Praxis, bei der eine abstraktere Ebene erreicht wird, tiefer als die psychologische Ebene, eine Empfindung von Stille, in der man eher seine Energie als seine Emotionen spürt. Und es macht Sinn, dies mit Geometrie auszudrücken. Als Inspirationsquelle für Muster verwende ich gern Pflanzen – eine innere Realität, durch abstrakte Formen ausgedrückt. Genau wie ein Yantra eine gewisse Form von Ordnung ausdrückt, wenn Dinge in Balance und Gleichgewicht sind.
Viele meiner Bilder haben den Punkt als Fokus oder Umdrehungszentrum, und die meisten sind symmetrisch. Ich arbeite aber auch mit Chaos. Selbst wenn in der Natur eine gewisse mathematische Ordnung und Präzision herrscht, ist sie nicht ganz linear. Es kommen die ganze Zeit Variationen und Mutationen vor, es ist eine organische Mathematik. Sie spiegelt meine eigenen Prozesse wider: Ich sitze in der Meditation, wo diese Ordnung vorkommt, und danach fange ich an, etwas zu machen, und es wirkt ziemlich unordentlich. Ich kleckere mit der Farbe, es spritzt und träufelt. Es mündet dann in ein Gemälde, das dieselbe Ordnung ausdrückt, die ich in der Meditation erlebte.
Vastu-Vasati: Welche Künstler haben dich am meisten beeindruckt?
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Crone Caroc: Es sind viele, Mark Rothko und Paul Klee zum Beispiel. Vor dem Abitur war ich mit meiner Klasse auf einer Studientour nach München. In der Neuen Pinakothek sah ich ein Gemälde, vielleicht von Paul Klee, das mich tief bewegte. Das Bild und die ganze Atmosphäre im Kunstmuseum haben meine Motivation, mit bildender Kunst zu arbeiten, erweckt.
Vastu-Vasati: Was lehrt uns unsere skandinavische Herkunft, können andere Europäer von uns Skandinaviern lernen?
Crone Caroc: Eine schwierige Frage. Die nordische Melancholie, die ich gepflegt habe, die langen Sonnenuntergänge, die blaue Stunde, stimuliert durch die ausgedehnte Dämmerung, die Stille, das hat mich in einigen Lebensphasen stark angezogen. Da steckt eine Tiefe drinnen, man kann sich erlauben, in eine Stimmungsschicht einzutauchen, in diesen Raum einzutauchen, ist sehr befriedigend, eine existenzielle Erfahrung.
Bezogen auf die Yogatradition, ist es für einen Mensch wichtig, emotional flexibel zu sein, sich allen Arten von Gemütszuständen und Stimmungen hingeben zu können, sich erlauben zu können, unverbindlich zu sein, sich nicht auf einen Ausdruck festlegen zu müssen; geräumig zu sein und offen für Neues, ohne sich einfangen zu lassen. Auch kann es einen Genuss von verschiedenen Zuständen bedeuten. Darum handelt Kunst: in verschiedene Zustände und emotionale Räume einzutauchen, stimuliert durch die Kunst, die betrachtet wird; die Melancholie eines melancholischen Bildes genießen – oder die Energie, die Intensität. Das ist in der Tat eine sehr tantrische Weise – die Sinneserfahrungen zu nutzen, um das Leben zu bereichern, während man das Erlebnis hat, nicht vom Sinnlichen gefangen zu sein. Man weiß, dass man die Stille ist, die Geräumigkeit und das Bewusstsein. Mit dieser Erkenntnis kann das Leben in vollen Zügen genossen werden.
Carsten Crone Caroc
Website: https://cronecaroc.com/
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Visuelle Alchemie: https://cronecaroc.com/statement-deutsch/
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