Wo soll ich schlafen?
von Elisabeth Hastrup-Kiil
Veröffentlicht in Yoga im Zentrum 2 / 2012
Liebe Elisabeth!
Mit großem Interesse habe ich Deinen Artikel über Vastu in der letzten Ausgabe Eurer neuen Zeitschrift gelesen. Überraschenderweise entspricht meine kleine Dachwohnung am Fluss grob gesehen den Parametern des Vastus, wie Du sie dargestellt hast. Fühle ich mich deshalb so wohl in der Wohnung?
Ich schlafe manchmal im nordwestlichen Teil eines Ateliers, das ein halbes Stockwerk höher als der Rest der Wohnung liegt. Diesen großen hellen Raum habe ich für die Arbeit mit Teams und als Salon zum Empfang und für die Übernachtung von Gästen eingerichtet, also für die kommunikative Seite meines Lebens. Man erlebt hier häufig den wilden norddeutschen West-Himmel. Oft ist es hier ganz stürmisch, weil unverbaut. Und man erlebt Sonnenuntergänge und eben abends das Flussglitzern. Hier schlafe ich wie in einer anderen Welt.
Aus Bequemlichkeit schlafe ich aber meist unten in meiner kleinen Wohnküche. Ich genieße dort das Glitzern der Morgensonne auf dem Fluss, der im Süden liegt. Aber ich schlafe hier etwas „nachtaktiv“, d.h. ich werde oft wach, was mir allerdings auch nicht viel ausmacht.
Wo wäre es nach Vastu besser zu schlafen?
Liebe Grüße Frau K
Vastu, die ersten Grundlagen
Liebe Frau K
Zunächst möchte ich die ersten Grundlagen von Vastu darstellen: Wegen ihres Eisenkerns besitzt die Erde ein kräftiges Magnetfeld. Die Anwesenheit des Mondes stabilisiert die Rotation der Erde um ihre eigene Achse und verschafft ihr eine Atmosphäre und ein Klima. Für die Erdbewohner bewegt sich damit die Sonne stets von Osten nach Westen.
Laut Vastu bedeutet diese Konstellation der Naturkräfte auf der Erde, dass wir immer zwei grundlegenden Kräften ausgesetzt sind: dem konstanten Einwirken von Jiva und Prana.
Der Jiva-Fluss wandert von Norden nach Süden an den Feldlinien des Erdmagnetfeldes entlang. Dieser organische aus der Erde entspringende Energiefluss hat unter anderem einen positiven Einfluss auf die elektromagnetische Ebene (das Zellenleben) aller Organismen. Jiva bedeutet wörtlich Leben und wirkt nährend, heilend, aufbauend, regulierend und kühlend. Jiva ist für die Gesundheit sehr wichtig.
Der Prana-Fluss fließt von Osten nach Westen. Prana bedeutet Energie. Dieser solare, aus dem Kosmos stammende Energiefluss fördert Vitalität und Antrieb, verleiht Kraft und Inspiration. Er ist erwärmend.
Beim freien Leben in der Natur ist jedes Lebewesen einem harmoni-schen Wechselspiel dieser beiden Kräfte ausgesetzt. Wenn aber ein Stück Erde eingegrenzt wird, z.B. in der Form eines Grundstücks, eines Hauses oder sogar eines Zimmers, werden die Strukturen dieses Raumes ein bestimmtes energe-tisches Muster ergeben, ein für diesen Raum einzigartiges Zusammenspiel vom Jiva und Prana. Die Menschen, die an diesem Ort leben oder arbeiten werden von der Beschaffenheit dieses Kraftfeldes beeinflusst. Die Vastu-Wissenschaft besteht kurz erklärt darin, dieses Energiefeld durch die Architektur und Einrichtung des Gebäudes oder Raumes zu optimieren und damit ein förderndes, feinenergetisches Wohn- und Arbeitsklima zu schaffen.
Wenn wir in einem Raum den Einfluss von Jiva und Prana addieren, bekommen wir einen starken Fluss von Nordosten nach Südwesten. Der Nordosten stellt auf diese Weise das energetische Tor dar. Dieser Bereich eines Raumes besitzt ein stark positives Potential. Der gegenüberliegende Bereich, der Südwesten, hat dagegen ein stark negatives Potential. Die Nordwest- Südost- Achse trennt auf diese Weise die energe-tische Ladung des Raums, die nordöstliche Hälfte ist positiv und die südwestliche negativ zu betrachten.
Ein Energiepotential kann mit folgenden Mitteln erhöht oder reduziert werden:
- Eine Vertiefung schafft mehr Spielraum und wirkt verstärkend. Auch Offenheit, wie offene Räume, erhöht ein Energiepotential.
- Wasser wirkt verstärkend auf ein Energiepotential.
- Um ein Potential zu verringern, werden Masse und Gewicht ein-gesetzt. Eine Bedachung wirkt auch verringernd, je höher gebaut, desto größer ist dieser Effekt.
- Jiva und Prana wirken auf der waagerechten Ebene ein, auch ein senkrechter Fluss ist zu beachten. Dieser befindet sich im Zentrum eines Raums und fließt spiralförmig von Unten nach Oben.
Eine bildliche Darstellung der Struktur dieser Kräfte zeigt uns der sogenannte Vastupurusha, der Erhalter aller Vastu, aller lebendigen Räume. Der Körper dieser mythischen Figur liegt mit dem Kopf im Nordosten (mit dem Gesicht nach unten) und Gesäß und Füßen im Südwesten. Die Wirbelsäule entspricht der Nordost-Südwestachse. Die beweglichen Arme und Beine befinden sich im Nordwesten und Südosten. Der Nabel befindet sich in der Mitte.
Aus diesen Informationen heraus ist es möglich einfache Regeln für die Gestaltung eines gegebenen Raums abzuleiten:
- Die nördlichen, nordöstlichen und östlichen Bereiche sollen leicht und offen sein, Sie sollen tiefer oder niedriger sein als ihre gegenüberliegenden Seiten. Wasser soll in diesen Bereichen anwesend sein. Im Nordosten sollen diese Qualitäten am ausgeprägtesten sein.
- Die südlichen, südwestlichen und westlichen Sektoren müssen dagegen schwer, geschlossen und hoch gestaltet sein. In diesen Bereichen darf kein Wasser vorkommen.
- Das Zentrum eines Raums soll offen und frei sein. Ein traditionelles Vastu-Gebäude besitzt einen offenen Lichthof im zentralen Bereich.
Die Wohnungsanalyse
In dieser Wohnung befindet sich der östliche Bereich 8 Stufen tiefer als der westliche Bereich. Zudem gibt es im Osten einen Balkon und eine helle Küche. Daher ist die Ost-West-Achse sehr stark, Kreativität und Karriere stehen unter einem guten Stern.
Man könnte jedoch den Westen noch ein bisschen schließen mit beispielsweise einem Rollo/Vorhang an der Balkontür oder schweren Blumen-töpfen bzw. schweren Balkonmöbeln auf dem südwestlichen Bereich des Balkons. Auch viele oder schwere Möbel finden im Westen einen guten Platz.
Die Nordwest-Südostachse ist im guten Gleichgewicht – die beweglichen/dynamischen Elemente Luft und Feuer ergänzen sich gut: Der Gästebereich mit Telefonanschluss im Nordwesten stärkt das Luftelement. Der Computerarbeitsplatz und die gemütliche Ecke im Südosten harmonieren mit dem Feuerelement und mit dem Venuseinfluss in der Form von Bequemlichkeit und Genuss, der auch im Südosten vorhanden ist. Man könnte das Luftelement mit Duftkräutern im Nordwesten und das Feuerelement mit Kerzen im Südosten zusätzlich unterstützen. Die Blickrichtung nach Osten am Computerarbeitsplatz ist optimal.
Die Nordost-Südwest-Achse, die energetische Wirbelsäule der Wohnung, ist weniger ausgeprägt. Der Südwesten ist fensterlos und mit dem Sofa gut schwer gehalten – die solide Basis stimmt. Das Kopfende im Nordosten ist jedoch mit der Waschmaschine, der Wand zwischen Bad und Küche, der Küchenzeile und dem Mangel an Fenstern in diesem Bereich zu schwer und geschlossen. Den Nordosten nutzt man am besten als Ort der Harmonie für möglichst anspruchsvolle Tätigkeiten – dieser Ort verkörpert die Quelle materiellen und spirituellen Glücks. Wasser stärkt die positiven Energien dieser Himmelsrichtung, und daher wäre eine Schale mit
frischem Wasser irgendwo auf/in der Küchenzeile eine gute Optimierung. Im Badezimmer wäre der nordöstliche Bereich für eine kleine Wellnessoase gut geeignet und die Waschmaschine hätte ihren Platz besser an der westlichen Wand neben der Dusche. Passt die Waschmaschine aber nicht anderswo hin, sollte auch an dem Ort eine Wasserschale angebracht werden. Der Spiegel im Norden des Badezimmers ist gut, dadurch wird der Norden optisch vergrößert. In der Küche kann der Spiegel an der westlichen Wand das Licht aus dem Osten in die Küche zurückwerfen.
Die Tür zum östlichen Balkon befindet sich an der optimalen Stelle für einen Haupteingang zur Wohnung und könnte daher gerne wie ein energetisches Tor gestaltet oder geschmückt sein. Dann wird man sich belebt fühlen, jedes Mal wenn man durch diese Tür geht. Der offene Balkon ist perfekt im Osten und sollte mit leichten Möbeln und schönen Blumen eingerichtet sein. Auch ein Klangspiel passt hier gut, weil Klang mit dem Element Äther und damit mit dem Nordosten verbunden ist, und so diese Himmelsrichtung stärkt.
Das Zentrum der Wohnung sollte offen und hell gestaltet sein und wie ein Lichthof wirken, in dem man sich gerne für einen Moment hinsetzt.
Die Nord-Süd Achse ist jedoch etwas problematisch. Der Norden ist fensterlos und damit zu geschlossen. Der Einfluss von Jiva ist stark gehemmt. Die Eingänge befinden sich nach Vastu am besten im Norden, Nordosten und Osten. Im Süden verstärkt ein Eingang das negative Potential dieses Sektors. Wenn kein Umbau möglich oder erwünscht ist, können Vastu-Defekte auch auf einer energetischen Ebene korrigiert werden. Eine solche Möglichkeit ist das Einsetzen von Yantras.
Korrekturen
Wegen der fensterlosen Nordseite ist es in diesem Fall sinnvoll ein Merkur-Yantra zu benutzen, um den positiven Einfluss der Energien des Nordens zu stärke. Der Merkur fördert Bewegungsenergie, Informationsbearbeitung, Handel, Erwerb von Reichtum, das Gemeinsame unter den Menschen und er beherrscht die Himmelsrichtung Norden. Der Norden besitzt die Qualitäten des weiblichen Prinzips: Stabilität und Gesundheit, die Quelle von Bequemlichkeit und Luxus, materiellem und finanziellen Wohlstand. Das Merkur-Yantra wird an eine nördliche Wand in der Wohnung gehängt, ein guter Ort ist die Wand zum Badezimmer. Im Badezimmer soll man grundsätzlich keine Yantras aufhängen.
Um den Vastu-Defekt im Süden (Eingangstür) zu beheben, kann ein Mars-Yantra an eine südliche Wand in der Wohnung gehängt werden. Es gibt in Deiner Wohnung den Bereich um die Eingangstür herum. Das Yantra könnte aber auch an der Wand zwischen Eingangsbereich und Diwan aufgehängt werden, wenn ein guter Platz an dieser Wand vorhanden ist. Der Mars repräsentiert unsere männliche Natur und verkörpert unsere Selbstprojektionen in die Außenwelt hinein. Er steht für Ehrgeiz, Mut, Selbstbewusstsein, Ausdauer und gute Führungsqualitäten, Durchsetzungsvermögen und Entschlossenheit. Der Mars beherrscht die Himmelsrichtung Süden. Der Süden steht für das Vergehen der Materie: Leben und Tod, aber auch Zielstrebigkeit und aufrichtige Freundschaften. Der Mars verzehrt und ihm muss Materie gegenüber-gestellt werden, damit seine rabiate Natur in eine Quelle für Kraft und zur Basis für die Überwindung von Schwierigkeiten umgewandelt wird. Der Stauraum im Süden Deiner Wohnung hat dort eine sehr gute Platzierung, die Eingangstür im Süden ist jedoch etwas problematisch. Auch der Fluss im Süden ist unvorteilhaft, weil Wasser das negative Potential des Südens verstärkt.
Da der Süden (zusammen mit dem Südwesten, Südosten und Nordosten) zu den Himmelsrichtungen gehört, mit denen Du auf Grundlage Deiner Geburtsdaten gut harmonierst, finde ich es wichtig und sinnvoll, die Qualitäten des Südens mit dem Mars-Yantra zu bändigen, zu strukturieren und zu stärken.
Und nun zuletzt zu Deiner Frage: Wo soll ich schlafen?
Der Südwesten, wo das Sofa steht, wäre für Dich der beste Platz. Zum einen gehört der Südwesten zu den vier aus den acht Himmelsrichtungen, mit denen Du in Resonanz stehst, und zum anderen ist der Südwesten überhaupt ein optimaler Schlafplatz für Erwachsene, der Elternschlafplatz, hier behält man die Zügel des Lebens gut in der Hand. Darüber hinaus ist ein Schlafplatz im Südosten nicht zu empfehlen. Diese Feuerecke ist für das Schlafen zu erhitzend, was auf Dauer zu unruhigem Schlaf und sogar Krankheiten führen könnte. Hiervon sind besonders Frauen betroffen und eine Anfälligkeit für Haut-und Augenleiden sowie für Fieberzustände, Allergien und Asthma könnte entstehen.
Herzliche Grüße
Elisabeth
Nachwort
Frau K hat mir später erzählt, dass politische Ereignisse in den letzten 20 Jahren dazu beigetragen haben, dass der Wert ihrer monatlichen Alters-Rente sich im Vergleich zu dem, was sie geplant und erwartet hatte, praktisch halbiert hat. Was durch viele Jahre in die Rentenkasse eingezahlt und privat angesammelt wurde, hat sich also stark verringert. Diese Lage spiegelt sich in ihrer Wohnung wider. Der geschlossene Norden zeigt wie eine Landkarte, dass der Jiva-Fluss, die Einnahmen in dieser Wohn- und Lebenssituation zu kurz kommen könnten. Auch in Bezug auf den schwachen Süden traf die Analyse auf Resonanz, indem Frau K bemerkte, dass ihr manchmal Mut und Entschlossenheit fehlen, Fähigkeiten, die mit einem harmonischen Mars-Einfluss zusammenhängen. Mit dem Einsetzen der beiden Yantras haben wir das Gleichgewicht der Nord-Süd- Achse wiederhergestellt und so auf der feinstofflichen Ebene eine neue Basis für einen hochwertigen Lebensraum geschaffen.