Vastu – entdecke das Wohnen im Wunderschönen


von Elisabeth Hastrup-Kiil
Veröffentlicht in Welt der Spiritualität 01 / 2024

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Du musst das Leben nicht verstehen, dann wird es werden wie ein Fest
schrieb Rainer Maria Rilke – und lass dir jeden Tag geschehen…

Ein bedeutender Teil der menschlichen Existenz besteht darin, zu erleben und Dinge geschehen zu lassen. Diese Fähigkeiten können in der Meditation geübt werden, indem man die Rolle eines Zeugen einnimmt. In einem entspannten Zustand, wie in der Meditation, nehmen wir Eindrücke aus der Außenwelt wahr, ohne unbedingt darauf reagieren zu müssen. Das Gleiche gilt für das Geschehen im Innenuniversum. Durch das passive Betrachten entsteht ein entspanntes Verhältnis zum Gedankenleben und zur Gefühlswelt.

Diese Fähigkeit, ohne zu handeln zu verweilen, ist in vielen spirituellen Lehren wie Yoga, Zen-Buddhismus und stillem Qi Gong ein Ziel für den Praktizierenden. Vor allem ist es ein angenehmer Zustand, Dinge geschehen zu lassen, ohne sich mit ihnen identifizieren zu müssen. Es ist gleichzeitig eine Methode, um ein gewisses Level an Konzentration zu erzeugen. Konzentration bedeutet, ein Auge für das Wesentliche zu entwickeln und das Unwichtige außer Betracht zu lassen.

„Es ist wie nach Hause zu kommen“, sagte eine meiner Yogaschülerinnen in der Gruppe, als sich die Teilnehmenden am Anfang einer Stunde vorstellten. Damit meinte sie das regelmäßige Besuchen der wöchentlichen Yogastunde.

Seit 35 Jahren unterrichte ich Yoga und Meditation in Hannover und Umgebung und seit 15 Jahren im eigenen Harbergen Retreat Zentrum. Im Laufe dieser Zeit habe ich Kurse in den unterschiedlichsten Räumlichkeiten durchgeführt. Ich habe anfangs VHS-Unterricht in Klassenzimmern angeboten, bevor ich die Möglichkeit bekam, Räume nach meinem Geschmack einzurichten.

Parallel zu den Haupthimmelsrichtungen

Der Raum in Hannover, den ich seit sechs Jahren benutze, gehört einer buddhistischen Glaubensgemeinschaft und ist dementsprechend ausgestattet. Der Raum befindet sich im Untergeschoss und die Lichteinstrahlung ist begrenzt. Dort werden mehrere Möbelstücke mitsamt einem Klavier aufbewahrt – und auch eine Küchenzeile ist im Raum vorhanden. Die Einrichtung ist weit entfernt vom modernen ästhetischen Wellnessambiente, das viele Yogastudien heutzutage anbieten.

Meine Kurse sind dort immer voll und die Teilnehmer sind überdurchschnittlich treu und zufrieden. Das liegt an der Parallel-Lage des Raums und des Gebäudes, in dem er sich befindet. Die ist in Hannover rar. Die Wände und Mauern verlaufen präzise in den Richtungen Nord-Süd und West-Ost.

Die Lehre des angenehmen Wohnens

Seit Jahrtausenden beobachtet der Mensch mit dem Auge für das Wesentliche, wie sich die Planeten unseres Sonnensystems am Himmel bewegen. Wer die Möglichkeit hat, den Himmel abends und nachts, ohne den Einfluss von künstlichem Licht zu betrachten (wir haben das Glück im Harbergen Retreat Zentrum), wird entdecken, dass sich alle Himmelskörper, wie auch die Sonne und der Mond, innerhalb eines Bandes namens Zodiak von Osten nach Westen bewegen – so sieht es wegen der Rotation der Erde aus. Die leichte Schrägstellung der Erde ist zudem der Grund dafür, dass wir zu verschiedenen Jahreszeiten andere Sternbilder sehen. Im Winter stehen das bekannte Sternbild Orion und der hellste Stern von allen, der Sirius, deutlich am Himmel.

Die Himmelskörper und ihre Bahnen beeinflussen die Menschen auf der Erde – das ist nicht nur ein Thema für die Astrologie, sondern auch für die vedische Wissenschaft Vastu, die Lehre des angenehmen Wohnens.

Diese Lehre wurde ursprünglich für den Tempelbau eingesetzt. Ein nach den Vastu-Prinzipien gebauter Tempel verleiht dem Besucher eine direkte Verbindung zum Kosmos. Das Gebäude erzeugt eine spezifische, feinenergetische Schwingung, die den Besucher in einen meditativen Zustand versetzt.

Die Himmelsrichtung Osten ist besonders zu beachten, da hier der „Anfang“ liegt. Die Sonneneinstrahlung am Morgen wirkt sich stark auf die Vögel aus, die besonders auf die UV-Einstrahlung reagieren. Deshalb beginnen sie ihr morgendliches Zwitschern.

Einige nützliche Vastu-Tipps

Vastu empfiehlt deshalb, das morgendliche Licht zu nutzen. Die Wohneinheit sollte Fenster und eine Tür in diese Richtung haben. Eine kleine Terrasse oder ein Balkon nach Osten ist ebenfalls positiv zu bewerten. Das Frühstücken in der Morgensonne hilft uns, das wichtige Vitamin D vom UV-Spektrum der Sonne aufzunehmen.

Ein Meditationsplatz im nordöstlichen Bereich der Wohneinheit fördert die spirituelle Entwicklung. Ein Arbeitsplatz im nördlichen Bereich unterstützt das Management von Projekten. Eine Küche im Südosten fördert ein innerliches und freundliches Familienleben. Am erholsamsten schläft man im südlichen oder westlichen Bereich der Wohnung oder des Hauses.

Müllansammlung und Lagerräume sollten im Norden und im Osten vermieden werden, denn diese Himmelsrichtungen stehen in Resonanz mit der Gesundheit, den Einnahmen und der Karriere. Mülltonnen sollten nicht in der Nähe des Haupteingangs platziert werden.

In Vastu wird sorgfältig zwischen Parallel- und Diagonal-Gebäuden unterschieden. Das Parallel-Gebäude wird bevorzugt, weil das feinenergetische Feld ruhiger und stabiler ist. Man fühlt sich sofort wie zu Hause. Ich habe selbst erlebt, dass es in Diagonal-Gebäuden (Wände und Mauern sind diagonal zu den Himmelsrichtungen errichtet und verlaufen Südwest-Nordost und Nordwest-Südost) zu Schwierigkeiten mit den Nachbarn oder sogar mit Behörden kommen kann, weil die feinenergetische Schwingung sich dort schwieriger ausgleichen lässt. Ich kenne mehrere solcher Fälle und habe auch eigene Erfahrungen aus Diagonal-Wohnungen gesammelt.

Ein spezieller Fall

Ein Kollege hat vor Jahrzehnten auf einer norwegischen Insel ein Kurzentrum in absoluter Alleinlage in Blockbohlenstil aufgebaut. Die Lage war traumhaft direkt am Meer mit abendlichem Blick auf die fernen Lichter der Küstenstadt Bergen. Wegen der Beschaffenheit des Grundstücks wurde das Gebäude in Diagonallage errichtet.

Drei Jahrzehnte später ist direkt vor diesem Grundstück ein dichtbesiedelter Vorort Bergens entstanden. Von der ursprünglichen Ruhe und Abgeschiedenheit ist nichts mehr zu spüren. Die Behörden haben nachträglich das gesamte Küstengebiet als Wohnviertel eingestuft und werfen ein kritisches Auge auf jegliche gewerbliche Unternehmung dort.

Korrektur-Möglichkeiten

Vastu bietet eine Vielzahl an Möglichkeiten, um eine ungünstige Wohnsituation zu verbessern. Manchmal genügt es, die Raumfunktion zu ändern, indem man in einem anderen Raum schläft. Eine gezielt ausgewählte Farbpalette für die Inneneinrichtung kann ebenfalls einen positiven Einfluss haben. Zudem gibt es Bilder mit geometrischen Formen – Yantras –, die einen energetischen Fehlbereich korrigieren können. Vastu-Defekte weisen auf einen bestimmten Lebensaspekt hin, der mehr Aufmerksamkeit benötigt. Es ist beispielsweise wichtig, eine Beförderung nicht zu verschlafen, sondern sich aktiv dafür einzusetzen.

So wie ein Kind im Weitergehen von jedem Wehen sich viele Blüten schenken lässt…

sollten wir unsere Chancen nutzen.