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Durga, Laxmi und Kali – wie die göttlichen Entitäten verschiedene Aspekte der harmonischen Ganzheit verkörpern, die du mit ihrer Hilfe in deinem Leben reifen lassen kannst

Im Herbst 2013 begegnete ich Durga. Wenn nicht persönlich, dann in der Form ihrer außergewöhnlichen Wirkung und Reichweite. Nun ist „außergewöhnlich“ überhaupt eine treffende Bezeichnung für eine Reise nach Indien.

Anlässlich meines fünfzigsten Geburtstags hatten wir zu viert eine Rundreise im nördlichen Indien gebucht – ohne einen Aufenthalt in einem Ashram, denn ich bin mit dem Ashram-Leben in Europa gut vertraut und der Auffassung, dass sich dies in Indien einigermaßen identisch gestalten würde. Außerdem bin ich mit meinem „Guru“, dem dänischen Swami Janakananda Saraswati, seit Jahrzehnten zufrieden. Ziel der Reise war es, Menschen und Kultur hautnah zu erleben.

In Indien angekommen, fällt einem schnell das organisierte Chaos namens „Verkehrsfluss“ auf. Vorfahrt hat immer das größere Fahrzeug, Die Hoheit haben jedoch die Kühe. Gehupt wird es nicht aus Ärger, es dient zur akustischen Mitteilung der aktuellen Position. Auf Autobahnen haben wir in den Spuren jeweils Autos mit verschiedenen Fahrtrichtungen erlebt – aber nie einen Unfall mitbekommen. Dieses intuitive Fahren ist Ausländern nicht gestattet, ein Mietauto fährt immer ein routinierter Fahrer.

Auf holprigen Straßen im ländlichen Bereich ging es sehr langsam und durch Dörfer war meist Schritttempo angesagt. Und immer wenn wir durch ein Dorf tuckerten, hielten Leute inne und betrachteten uns durch die Autoscheiben. Wenn ich in Deutschland unterwegs bin und von fremden Menschen wahrgenommen werden ist es meist mit einer Zuordnung verbunden: Gast, Passagier, Kundin usw. Wenn ich in derselben Situation meine Mitmenschen betrachte, erlebe ich sie meist mit ihrer Gedankenwelt beschäftig oder bei dem Versuch, abzuschalten.

Das Betrachten der indischen Dorfbewohner war anders – intensiv, offenbar ohne Vorurteile und Bewertung; es war sehr direkt, als würden sie einen Blick auf unsere Seele werfen. Sie waren, so empfand ich es, weder in ihrer Innenwelt verankert noch in der Außenwelt, sondern grenzüberschreitend in beiden gleichzeitig, in einem Zustand des Präsentseins.

Durga, die Ur-Mutter
Zufällig waren wir in Indien während der alljährlichen Durga-Puja, einem wochenlangen Fest zur Ehrung der Göttin Durga. Durga wird in den Tempeln geehrt, und während der Puja sind Tausende von Männern und Frauen in den Straßen auf dem Weg zum Tempel, auf den Tempelgeländen und in den Tempeln unterwegs, wie lange bunte Schlangenkörper, die sich fließend durch die Welt schlängeln. Auch hier mussten wir staunen. Die Ausdrucke der Menschen waren gleichzeitig ernst, hingebungsvoll, konzentriert, präsent und göttlich – als wären sie mit einer für uns unsichtbaren Kraft verbunden.

Insgesamt waren die Erfahrungen und Erlebnisse von den nur drei Wochen in Indien für mich so beeindruckend, dass ich sie als ein Geburtstagsgeschenk vom Kosmos annahm und Durga einlud, mein psychisches Symbol, meine Ishtadevata zu werden.

Der Reichtum und die Vielfalt an Göttern und Göttinnen im Hinduismus wurden uns in Indien folgendermaßen erklärt: Jeder Mensch ist anders und hat eigene, spezifische Affinitäten. So ist für jeden ein Tor geschaffen, um hinter die Welt der Erscheinungen blicken zu können. Oder neo-spirituell ausgedrückt: Für jeden steht ein passendes Tool zur Verfügung, um die Eigenvibration erfolgreich erhöhen zu können.

Nun soll Göttin oder Gott in diesem Zusammenhang nicht als Frau und Mann oder überhaupt als genderrelevant betrachtet werden. Wir leben in einer Welt der Polaritäten, wie Nacht und Tag, und die Gotteswesen decken verschiedene Aspekte und Qualitäten unserer Lebenssituation und unseres Daseins ab. Es sind auf dem ersten Blick Gegensätze, doch bei näherem Betrachten ergänzen sie einander und bilden eine harmonische, synthetische Ganzheit.

Sich damit zu verbinden, wie in der Meditation, lässt diesen oder jeden Aspekt, Gott wie Göttin, im eigenen persönlichen Leben reifen und zum Ausdruck kommen.

Durga, die Ur-Mutter, hält die Welt zusammen, sie verkörpert eine immense Kraft, die sowohl transzendierend als auch beschützend ist. Reitend auf einem Löwen ist sie unbesiegbar. Sie fordert in allen Belangen die Wahrheit, deshalb vernichtet sie Lügen und andere manipulative Kräfte. Durga ist eine Huldigung an das Leben In ihrer Nähe erinnern wir uns an die Magie unseres Daseins, an das Geschenk des Geborenwerdens und an den Kosmos der wiederkehrenden Chancen. Ihre vielen Arme geben uns die Flexibilität und die Werkzeuge, uns in Krisen immer wieder neu aufbauen und nach produktiven Lösungen suchen zu können. Durga hilft uns auch dabei, uns von Ressentiments zu befreien.

Die Domäne der Laxmi
Das bringt uns zum nächsten Thema: zu den Finanzen, einem Bereich, der zurzeit wohl keinen Menschen in Ruhe lässt.

Laxmi ist die Göttin des Glücks und des Wohlstands. Sie sitzt auf einer Lotusblume, ein Symbol für Schönheit, Reinheit und Fruchtbarkeit. Ihre vier Arme repräsentieren die vier Purusharthas oder Mittel zur Selbstverwirklichung: Dharma (unser Sinn für Bestimmung), Kama (Sehnsüchte und emotionale Erfüllung), Moksha (Befreiung und spirituelle Wandlung) und Artha (Erwerb von Reichtum).

Kein Aspekt des Lebens auf diesem Planeten ist so allespenetrant und unvorhersehbar wie der des Geldes.
Die Komplexität der Finanzwelt und ihrer verschnörkelten Gesetze können mittels der Algorithmen eines vedischen Horoskops in eine plausible und konkrete Vorhersage münden. Die Schönheit der kosmischen Planetenzyklen, ihre Wechselwirkung miteinander und ihr Einfluss auf unseren Alltag können uns helfen, auch den Geldfluss verstehen und davon profitieren zu können. Das Entstehen der Kryptowährungen zum Beispiel, ist ein weiteres kosmisches Ereignis. In diesem Fall könnte ein veraltetes und überfordertes System in eine gerechtere und regional einsetzbare Austauschmatrix umgewandelt werden.

Bei all dem lächelt einem Laxmi stets fröhlich entgegen, als würde sie sagen: „Vertrau mir einfach, und du wirst sehen“. Wenn du etwas angefangen hast, das dir wichtig ist, das dir auf dem Herzen liegt, dann mach es auch zu Ende. Streng dich an, bemüh dich, setz dich für das bestmögliche Ergebnis ein. Wenn Hindernisse auftreten, sieh dich nicht als Opfer der Umstände, sondern geh intelligent damit um und setzt deine Arbeit fort. Und du wirst sehen, dass die Belohnung kommt.

Kali – Kraft des Wandels
Die Göttin Kali, die dunkelblaue, mysteriöse Herrscherin des Todes, der Zerstörung und der Erneuerung, wird am meisten gefürchtet. Sie erinnert uns an die Vergänglichkeit von allem, was uns ausmacht und uns umgibt. Fest steht lediglich der Wandel. Angst kann durch Präsenz, die Anwesenheit im jetzt, ausgeblendet und aufgelöst werden. Wer es wagt, meditiert über Kali und katapultiert die versteifende Kraft des Fürchtens in einen bezaubernden Höhenflug im astralen Jetstream. Es ist nie zu spät die weibliche göttliche Kraft in sich wachsen zu lassen, viel Vergnügen dabei!

Dieser Beitrag wurde ursprünglich in der Zeitschrift Yoga Aktuell 6 / 2022 veröffentlicht

Bildnachweise

Titelfoto, Trecker, Prozession und Durga: Jörgen Hastrup-Kiil
Laxmi: Raja Ravi Varma, Public domain, via Wikimedia Commons
Kali: Kolkatar Chobiwala